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Die Geschichte des Siedlungsbaus

Im Jahr 1935 begann man mit dem Bau von Siedlungshäusern und privaten Eigenheimen auf dem Areal südlich des Pickauer Dorfweges, der aber damals noch nicht diesen Namen trug. In alten Dokumenten wird er nur als „Öffentlicher Weg” bezeichnet. Die Fläche wurde zu jener Zeit als Streuobstwiese genutzt.

Die ersten, ab 1934/35 entstandenen Häuser, waren private Eigenheime (Klengelweg 41 und 45, Pickauer Dorfweg 3 und 5 sowie Ludwig-Richter-Straße 1, 3 und 22), aber auch Siedlungsdoppelhäuser der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV) und der Heimstättengenossenschaft „Sachsenland”. Der erste Spatenstich fand am 13.11.1934 auf dem Gelände der späteren Grundstücke 25 und 27 statt. Beteiligt waren Personen des öffentlichen Lebens und weil das Ereignis für propagandistische Zwecke genutzt wurde, auch eine Reihe Bischofswerdaer Nazigrößen. Die NSKOV ließ die Doppelhäuser auf dem Klengelweg und der Ludwig-Richter-Straße bauen. Am Bau waren verschiedene kleine ortsansässige Firmen beteiligt. Der Grund und Boden gehörte der NSKOV, nicht aber den Häuslebauern. Auf den Gebäuden lag zusätzlich ein Kredit. Die NSKOV entstand aus dem 1917 gegründeten Reichsbund der Kriegsgeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen e. V. Dieser Verein wurde 1933 unter dem Druck der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) aufgelöst. Vermögen, Mitglieder und alle Rechte mussten an die NSKOV abgetreten werden.

Die Häuslebauer waren bis auf Ausnahmen keine Nazis, obwohl man ihnen das gern nachsagte. Sie nutzten jedoch die Möglichkeiten, die ihnen diese Organisation bot, als Chance zum Bau eigener Häuser. Im übrigen Teil der Siedlung war die Verfahrensweise für den Bau der Häuser anders. Hier wurden die Doppelhäuser von der Heimstättengenossenschaft „Sachsenland” gebaut. Die Grundstücke mussten im Gegensatz zum NSKOV-Modell sofort gekauft werden. Der Bau erfolgte zumeist eigenverantwortlich und mit Hilfe eines Kredites.

Äußerlich sind die Siedlungshäuser auf den ersten Blick gleich. Bei genauerem Betrachten kann man aber vier verschiedene Typen erkennen. Die Häuser am Klengelweg waren vollständig unterkellert und hatten keine weiteren Anbauten.

Die Gebäude auf der Ludwig-Richter-Straße waren nur im Anbau unterschiedlich. Während die geraden Hausnummern nur einen einfachen Anbau hatten, wurde dieser bei den ungeraden Zahlen im hinteren Teil eineinhalbstöckig ausgeführt. Die Unterkellerung war in beiden Fällen nur zu einem Drittel vorgesehen. Wer die Hälfte haben wollte, musste diesen Teil sofort selbst zahlen. Alle Gebäude dieser Straße wurden ohne Versenkung gebaut.

Die Häuser der „Sachsenland Heimstätten-Genossenschaft” waren im Erdgeschoss völlig anders aufgeteilt. Sie hatten im Obergeschoss nur eine Holzverkleidung und nach hinten einen separaten Schuppen, der als Stall genutzt werden konnte.

1937 zogen die letzten Siedler in ihr neues Heim. Die Grundstücksgrößen lagen alle über 1000 m² und dienten nicht nur der Selbstversorgung. Obstbäume, Sträucher und Gartengeräte wurden zum Teil gestellt. Der Anbau und die Verwendung der Produkte wurden streng vorgeschrieben. Damit wollte man die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsgütern ein stückweit steuern. Die Absicht, hier auch für einen bevorstehenden Krieg Vorsorge zu treffen, mag ebenso eine wichtige Rolle gespielt haben. Ein sogenanntes „Abgabe-Soll” blieb auch nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, in der sogenannten schlechten Zeit, noch etliche Jahre erhalten. Vieles wurde aus diesen Gründen vorgeschrieben. Selbst die Grundstücksumfriedung lag nicht im eigenen Ermessen der Siedler. Vielfach waren Maulbeerhecken zur Sicherung der Seidenraupenzucht und damit zur Gewinnung kriegswichtiger Seide z. B. zur Herstellung von Fallschirmen für einige Grundstücke festgelegt worden. Durch den Kriegsbeginn 1939 kamen aber viele dieser Maßnahmen nicht mehr zum Tragen.

Zum Kriegsende wurde die NSKOV als kriegsverbrecherische Organisation enteignet. Damit entstand auch für die Siedler und Häuslebauer eine schwierige Situation. Unsicherheit über die bevorstehende Zukunft und auch große Enttäuschung über den Ausgang der Geschichte waren an der Tagesordnung. Durch das in der DDR verabschiedete Gesetz zum Verkauf volkseigener Eigenheime und Siedlungshäuser vom 15.9.1954, kam wieder Hoffnung auf. Diese Hoffnung bestätigte sich und ab November 1955 konnten die Häuser durch die Erbauer zurückgekauft werden. Der Grunderwerb war weiterhin nicht möglich, aber es gab immerhin ein unbefristetes Nutzungsrecht.

1984 beginnt erneut eine rege Bautätigkeit auf der Rudolf-Renner-Straße. Es entstehen weitere sechs Doppelhäuser, die trotz einiger Freiheiten den alten Häusern äußerlich gut angeglichen wurden. Damals trug sich die Stadt Bischofswerda mit dem Gedanken, das gesamte Dreieck zwischen Lindenallee und Kamenzer Straße mit Eigenheimen zu bebauen. In Fortführung dieser Idee entstanden ab 1988 die, gemessen an den Siedlungshäusern, relativ großen Reihenhäuser an der Christian-Heckel-Straße. 1990 gibt es für die Bewohner der ehemaligen NSKOV-Häuser eine gute Nachricht. Endlich dürfen sie den von ihnen bewirtschafteten Boden kaufen und sind nun endlich „Herr auf eigener Scholle”.