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Die Grenze zwischen der Oberlausitz und dem Meißner Stiftsgebiet

Wer von der Grenze zwischen der Oberlausitz und dem Meißner Stiftsgebiet spricht, spricht in der Region Bischofswerda eigentlich von der Schicksalsgrenze für die Stadt. Sie entstand als Grenze zwischen Böhmen, später Oberlausitz, und dem Stift Meißen. Während die oberlausitzer Seite mehrfach den Besitzer wechselte, nimmt man an, dass unsere Stadt schon kurz nach der Gründung des Bistums Meißen in dessen Besitz kam und bis zur Reformation verblieb. Vor der Bestätigung der Grenze 1241 mit der Oberlausitzer Grenzurkunde verlief sie wahrscheinlich für längere Zeit unmittelbar nördlich hinter der Stadt (dazu auch von Uwe Tilch „Wie alt ist Pickau wirklich?”).

Bischofswerda war also unmittelbar Grenzstadt zwischen dem dünn besiedelten Keil des Stiftsgebietes, der sich von Meißen in Richtung Osten zog und dem stärker besiedelten Altsiedelland im Norden. Die Stadt war damit gleichzeitig von der Entwicklung der Städte der Oberlausitz abgehängt. Sie gehört nicht zum Sechsstädtebund, hatte aber auch im Stiftsgebiet gegenüber Stolpen eine nur untergeordnete Rolle.

Mit der erwähnten Urkunde wurde die Grenze nach Norden verschoben, was aber nur die landesherrliche Einflussnahme und nicht die privaten Besitzverhältnisse betraf. Die Urkunde ist lateinisch abgefasst und hinterlässt auch in unserem Gebiet einige Fragen über den genauen Verlauf. Dass zu dieser Zeit recht unterschiedliche Kenntnisse des Lateinischen (vielfach Küchenlatein genannt) zu späteren Irrtümern in der Übertragung führten, ist folgerichtig. Die persönliche Erkundung und gleichzeitig die Auswertung alter Karten halfen, offene Fragen zu beantworten. Dazu in der Folge einige Betrachtungen zur genaueren Bestimmung des Grenzverlaufes  und der heutigen Ortsgrenzen.

Beginnen wir mit dem Verlauf an der Gruna. In der Übersetzung heißt es hier „… in Richtung des Gewässers, welches durch Frankenthal und Harthau fließt…”. Damit ist der Verlauf des Baches gemeint, der sich abgesehen von einigen kleineren Begradigungen nicht verändert hat. Das ist jener Teil der Grenze, der keine Fragen offen lässt.

In der Fortführung heißt es: „… von dort in der Mitte des Sumpfes, welcher sich in der Mitte zwischen Rammenau und Geißmannsdorf befindet…”. An dieser Stelle kommt es zu ersten Fehlern in der Interpretation.  Was ist in der Mitte des Sumpfes? Handelt es sich hier um das sog. Kreuzwasser und in dessen Fortführung um die späteren Steinteiche deren Abfluss zur Gruna ging? Warum liegen dann aber die Ortsgrenzen (Rammenau/Geißmannsdorf) weiter westlich?  Ausgehend von der Tatsache, dass eine Verbindung nach Kamenz, wie sie heute besteht, noch nicht notwendig war und der gesamte Verkehr zwischen Bischofswerda und Rammenau desgleichen zwischen Geißmannsdorf und Rammenau über den Kirchsteig und damit südlich des heutigen Niederteiches verlief, wurden die Örtlichkeiten westlich der Rammenauer Siedlung genauer untersucht. Alte Karten weisen auch hier einen Sumpfstreifen fast parallel zum  Kreuzwasser auf. Zwischen beiden versumpften Niederungen zog sich ein höher gelegener, trockener Streifen in Richtung Norden, der heute die Ortsgrenze bildet. Damit war klar, dass dieser Streifen als „Mitte zwischen den Sümpfen” gemeint war.

Weiter heißt es in der Grenzurkunde „...exinde in album lapidem…”, was immer mit „weißer Stein” (albus lapis) übersetzt wurde. Computerübersetzungen und Übersetzungen von befragten Lateinlehrern  sagen aber einheitlich „…von dort im Verlauf der Ansammlung der Steine” (Album Lapidem). Wie war das nun gemeint und welche Steine wurden herangezogen?  Gehörte der Burkauer Berg dazu und wo waren die anderen Steine? Fragen, die zunächst keine Beantwortung fanden.  Der Burkauer Berg, einst Grenzburg der Burggrafschaft Camentz im Böhmischen, passte nicht so recht in die Grenzführung und schon gar nicht an den heute bekannten Verlauf der Ortsgrenzen. Geht man an der bisher beschriebenen Grenze in Richtung Nordosten weiter, kommt man auf drei Dinge, die hier auf einen Ort treffen. Zum Einen die bisherige Grenzlinie und zum Anderen  die Wasserscheide und damit das Ende der zwei Sümpfe, die sich hier treffen.  Die Kreuzung des Pfades, der seit alten Zeiten „Diebsteig” genannt wird, ist das dritte Ereignis an diesem Punkt. Hier biegt  auch die Ortsgrenze nach Osten ab. Damit konnte der Burkauer Berg als Grenzpunkt sicher ausgeschalten werden. In Richtung des Diebsteiges liegen nun in fast gerader Linie die Höhe 336,3, die Katzensteine und eine  nicht mehr vorhandene Felsenklippe nördlich des Scherflings, nahe der Ortsverbindungsstraße Schönbrunn–Burkau. Die Höhe 336,3 war früher mit hoher Sicherheit unbewaldet, war aber mit  größeren, damals gut sichtbaren Steinbrocken übersät. Die Katzensteine sind heute noch in ihrer alten Form erhalten. Die Felsenklippe am Weg von Bischofswerda nach Burkau wurde während des Eisenbahnbaus nach Kamenz als Steinbruch abgebaut, hatte vorher aber etwa die dreifache Größe der Katzensteine und dürfte auch über die Baumkronen hinweg sichtbar gewesen sein.  Die „Ansammlung der Steine”, die Ortsgrenzen und der Diebsteig weichen auf der gesamten Strecke nur unwesentlich voneinander ab. Zur genauen Bestimmung der Linie und zur Definition der „Ansammlung der Steine” ist es nicht falsch, den Burkauer Berg mit einzubeziehen, obgleich er kein direkter Grenzpunkt ist. Aus unserer Sicht sind das genügend Beweise für die Richtigkeit des Grenzverlaufes aber auch der Hinweis auf einen bisher nicht beweisbaren Irrtum. Die falsche Übersetzung  der Grenzurkunde führte dazu, dass „eine einst namenlose Felsklippe” in unmittelbarer Nähe der Bergaststätte, die heute nicht mehr vorhanden ist,  der berühmte „weiße Stein (albus lapis)” sein sollte.  Die Grenzmarkierungen im 13. Jahrhundert beschränkten sich auf wenige feste natürliche Erscheinungen wie Quellen, Wasserläufe, Seen, Felsklippen und ähnliches.  Auch die vier Haupthimmelsrichtungen wurden genutzt, wenn der nächste Festpunkt nicht einsehbar war. Wie aber sollte man einerseits vom o. g. Endpunkt der Sümpfe zum Butterberg und andererseits vom Butterberg nach Teupitz und der dortigen Quelle des Silberwassers finden, wenn diese Punkte jeweils nicht einsehbar waren und auch in keiner der vier Haupthimmelsrichtungen lagen? Uns reichte das als Beweis, dass die neuere Übersetzung „Ansammlung der Steine” die richtige ist und der „Weiße Stein” ins Reich der Sagen gehört.

Im letzten für uns interessanten Abschnitt heißt es in der Grenzurkunde: „…weiter ganz nahe bei Tutizk; von dort nach Zrebernize…”.  Was bedeutet  das für uns? Ausgehend von der ehemaligen Steinklippe liegen der Gipfel des Scherfling und die Quelle des Silberbaches auf einer Geraden exakt in Richtung Süden. Sollte das nur ein Zufall sein, dass Tutizk (Teupitz) und die Quelle des Silberbaches (slebornica)  genau an einem neuen Grenzpunkt liegen. Die Antwort kann nur „Nein” sein. Um alles nochmals zu überprüfen wurden die Ergebnisse mit der ältesten recht genauen Karte unserer Gegend, die aber das böhmische (oberlausitzer) Gebiet weiß lässt, verglichen. Die Karte von Oeder stammt aus dem Jahr 1614.  Bei einer Projektion derselben auf eine moderne Landkarte wurde  eine so große Übereinstimmung festgestellt, dass die Untersuchungsergebnisse Bestätigung fanden.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Grenze zu Schönbrunn den oft geänderten Besitzverhältnissen folgend noch einige Mal Änderungen im Bereich östlich des Scherflings bis hinunter zum Silberwasser erfuhr. Eine Ursache dafür war die nicht exakt festgelegte Gemarkung Teupitz und deren wechselnde Zugehörigkeit bis in das 19. Jahrhundert.  Auf die Erläuterungen zur Oberlausitzer Grenzurkunde aus dem Jahr 1241 hat das aber keinen Einfluss mehr.

Damit ist der Beweis erbracht, dass der Verlauf der alten Grenze laut Oberlausitzer Grenzurkunde, wie er auch in den Sächsischen Meilenblättern verzeichnet ist, richtig ist, aber auch die neuen Ortsgrenzen sich an diesen alten Verläufen festhalten.

Eckehard Paulick
Historischer Stammtisch Pickau