Die Landwirtschaft
Die meisten Bauern waren stolz auf ihren Berufsstand und taten die Arbeit in Feld und Stall gern. Oft fanden sich auf Wandborden oder in Schränken verzierte Teller, die das zum Ausdruck brachten. Sprüche wie „Ehret die Scholle die euch nähret“ oder „Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld“ sind hierfür interessante Beispiele. Nach Angaben von Christa Mikus, geb. Lohse, war im Hausflur des Bauernhauses Lohse bis in die 70er Jahre ein großes Wandbild. Darauf waren zwei Pferde vor einem Pflug, im Hintergrund ein Dorf und Bauern bei der Landarbeit zu sehen. Der Bischofswerdaer Maler Fritz Bannert hatte es auf Wunsch des Hausherrn auf die Wand gemalt. Darunter stand der Spruch: „Im Bauerntum liegt die unversiegliche Quelle unserer Kraft“. Auch in anderen Häusern waren ähnliche Zeugnisse der Verbundenheit mit dem Leben auf dem Lande zu sehen.
Die Bauernwirtschaften und die verschiedenen Arbeiten orientierten sich genau am Jahreslauf der Natur, denn sie waren in besonderer Form darauf angewiesen, um ihre Existenz zu sichern. Schlechtes Wirtschaften oder Missernten konnten einen Hof und mit ihm alle seine Bewohner in den Ruin treiben. Viele Bauern- oder Wetterregeln sind heute noch überliefert und geben darüber Auskunft, woran sich die Landwirte früher orientierten. Später kamen Bauernkalender, Zeitungen und zuletzt der Rundfunk hinzu. Faszinierend ist, wie klug man damals natürliche Bedingungen auszunutzen wusste, ohne die Landschaft zu zerstören. Eine geschützte Lage, Wasserläufe, natürliche Gegebenheiten für das Anlegen von Feldern oder Wegen, aber auch große Bäume, die Schutz und Schatten spendeten konnten, gehörten dazu. Auch in Pickau standen früher vor bzw. in den Höfen große Linden, Eschen oder Eichen. Der Hof Kluge nutzte beispielsweise bis in die 1990er Jahre natürliche Wasserquellen, aus denen das Wasser bis auf den Hof floss. In früheren Jahren kam das Wasser von der hinter dem Hof liegenden „Bornwiese“ („Born“ ist eine ältere Bezeichnung für Quelle) und später über eine Rohrleitung von einer Quelle des Rittergutsteiches.
Zur Bewältigung der Arbeit auf den Höfen gab es ein ausgeklügeltes über Jahrhunderte immer wieder angepasstes System der Arbeitsteilung und Verantwortlichkeiten. Die ganze Familie, aber auch die Arbeitsleute, wie Mägde, Knechte oder auch Osterjungen waren einbezogen und deren Einsatz klar geregelt. Bauer und Bäuerin kam dabei eine besondere Rolle zu. Durch die Nichtgleichstellung der Frau war zwar der Bauer formell immer das Familienoberhaupt, aber oft traf die Bäuerin die Entscheidungen in ihrem Verantwortungsbereich eigenständig. Dazu gehörten das Wirtschaften in Haus und Küche, die Verarbeitung der Milch oder Versorgung der Kinder. Auch andere Familienmitglieder hatten Aufgaben, um sich auf ihre Art nützlich zu machen. Die größeren Kinder halfen vor oder nach der Schule bei verschiedenen Arbeiten und auch die Großeltern unterstützen, wo sie noch konnten, zum Beispiel bei leichteren Arbeiten, wie Spinnen, Stricken, Besen binden oder Rechenzinken schnitzen. Der Bauernhof bildete eine Versorgergemeinschaft, bei der sich jeder einbringen wollte und musste. In der Hofnachfolge, die meistens ein männlicher Nachkomme antrat, spielten das „Altenteil“ oder „Ausgedinge“ für die Eltern und die Aussteuer für die anderen Geschwister des Hoferben eine wichtige Rolle. Hier wurde bei der Übergabe des Hofes an die Nachfolger diese Dinge vertraglich ganz klar bis zum Lebensende geregelt. Solche Verträge enthielten neben den Formalitäten zum Kauf auch Details, die heute komisch anmuten. Die Menge der wöchentlich zu liefernden Lebensmittel an Milch, Brot, Eiern oder Wurst, aber auch die Anzahl der Gebündel an gehacktem Reisig, das Waschen der Wäsche oder die Pflege im Krankheitsfall, sind hier akribisch aufgeführt. Das war wichtig im Alter oder bei Krankheit, denn eine andere Form der Absicherung gab es damals nicht.
Die Höfe in Pickau hatten verschiedene Größen und demzufolge auch eine unterschiedlich große landwirtschaftliche Nutzfläche. Diese setzte sich meist aus Eigentumsland und hinzu gepachtetem Land zusammen. Die Höfe der Familien Kluge mit 11 ha und Lohse mit 14 ha waren die größten Bauernwirtschaften im Ort. Der Hof Hemedinger, Pickauer Dorfweg 4 folgte mit über 5 ha. In der gleichen Größe war etwa der Hof Saulich, Pickauer Dorfweg 16. Die Gehöfte Jürich, Pickauer Dorfweg 12, und Mikus, Pickauer Dorfweg 2, hatten etwa 3 ha Nutzfläche.
In früherer Zeit versorgten sich die Bauernhöfe fast ausschließlich selbst. Überschüsse aus der landwirtschaftlichen Produktion wurden getauscht und verkauft. Darauf war die Struktur der Wirtschaften ausgerichtet und man hielt, neben dem Anbau von Futter und Getreide auf Wiesen und Ackerflächen, auch entsprechendes Vieh. Eine Spezialisierung der bäuerlichen Betriebe in Viehzucht und Feldbau in der Form wie heute gab es noch nicht.
Alle Bauern hielten Kühe zur Milcherzeugung, die größeren Wirtschaften 8 bis 10 Stück, die kleineren von 5 bis 3 Stück. Die Rinder wurden meist selbst gezogen. Dazu wurden Schweine zur Fleischgewinnung und Geflügel, immer Hühner, manchmal auch Enten und Gänse oder Tauben gehalten. Hinzu kamen oft Schafe und manchmal Ziegen. Um die Arbeit zu bewältigen wurden Zugtiere eingesetzt. In früherer Zeit waren das bei den größeren Höfen Ochsengespanne, bei den kleineren Höfen Kühe, die vor dem Wagen oder Pflug auf dem Feld ihre Arbeit leisten mussten.
Auf dem Hof Lohse gab es ab den 1930er Jahren ein Pferdegespann und in den 1950er Jahren schaffte man auch auf dem Hof Kluge zwei Pferde an.
Willy Lohse betrieb zeitweise sogar eine kleine Pferdezucht und hatte gute Zuchterfolge. Manchmal, das erscheint heute seltsam, wurden auch ein Ochse und ein Pferd zusammen eingespannt. Pferdegespanne waren bei der Arbeit schneller und damit auch effektiver. Ein Ochse dagegen entwickelt eine andere Zugkraft. Außerdem wuchsen Rinder mit den Jahren „ins Geld“ das heißt man konnte Ochsen und Kühe, wenn sie als Arbeitstiere nicht mehr taugten, schlachten oder zur Schlachtung verkaufen. Pferde dagegen wuchsen „aus dem Geld“, das heißt mit zunehmendem Alter verloren sie an Wert. Sie wurden zwar im Alter auch geschlachtet und verarbeitet, aber in unserem Kulturkreis hatte das nie die Bedeutung, wie in südlichen Ländern, wo man Pferde auch zur Fleischgewinnung züchtete.
Pickau hat mittlere Bodenwerte, das heißt, es sind keine extrem fruchtbaren Böden, wo vorwiegend Weizen angebaut wird. Dafür sind sie aber für viele andere Kulturen geeignet. Es wurden vor allem Roggen, Hafer, Weizen, Wintergerste, Rüben, Zuckerrüben, Kartoffeln, Klee, Mohn, Flachs, Gemenge (ein Milch- und Mastfutter bestehend aus Futtererbsen und Hafer) angebaut. In der Nachkriegszeit, als es sogenannte „Sölle“ gab, die die Bauern abführen mussten, waren es auch Tabak, Ölfrüchte oder Tomaten.
Die Wirtschaften waren, natürlich in Abhängigkeit von ihrer Größe, alle technisch relativ gut ausgestattet. Zur Grundausstattung gehörten Kastenwagen, Pflüge, Eggen und weitere Geräte. Eine Haumaschine, eine Sämaschine oder einen Kartoffelroder hatten die meisten, aber nicht alle Betriebe. Die kleineren Wirtschaften mussten wesentlich mehr in Handarbeit erledigen, wogegen die größeren schon damals auf Mechanisierung setzten. Soweit bekannt, verfügten alle Höfe über eine Dreschmaschine, die mit Strom betrieben wurde. Die größeren Höfe hatten sogar eine Transmission, mit der man weitere Maschinen, wie Haferquetsche, Schrotmühle, Heuaufzug oder eine Kreissäge betreiben konnte.
Auch das typische Brauchtum unserer Region ist für Pickau überlieft. So feierte man Kirmst, zu der sich die Verwandten aus den Dörfern gegenseitig besuchten, man gestaltete Entedankfeste mit, besuchte die Kirche Bischofswerda. Für die Frauen gab es an einem Abend in der Woche einen speziellen Frauendienst. Viele Männer waren Mitglied in der Feuerwehr oder im Militärverein. Man ging auch zu „Rocken“, das heißt, man traf sich in Abständen reihum, abends nach getaner Arbeit zum Erzählen und Neuigkeiten austauschen. Auf diese Weise wurden immer wieder alte Geschichten weitererzählt und damit überliefert. Oft wurden dabei Handarbeiten gemacht oder auch Karten, meist Schafskopf, gespielt. Ein weiteres Beispiel für den nachbarschaftlichen Zusammenhalt war das Federnschleißen, zu dem die Frauen ebenfalls in der Winterzeit reihum in einer Stube zusammenkamen. Die Federn wurden vom Federkiel gerupft „geschlissen“, damit man Kopfkissen und Federbetten herstellen konnte. Dabei wurde natürlich Altes und Neues erzählt, gesungen oder auch Gedichte hergesagt. Die Hausfrau, auf deren Hof das stattfand, bewirtete die Helferinnen zum Dank mit Kaffee, Kuchen oder Abendbrot.
Einen starken Einschnitt in das Leben der Bauern brachte die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR-Zeit mit sich. In dieser Zeit setzte die SED-Führung der DDR alles daran, Kolchosen nach sowjetischem Vorbild einzurichten.
Die „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPG) der DDR waren unterteilt in verschiedene Typen mit voll- oder halbgenossenschaftlichem Status. Um diese neue Produktionsform einzuführen, brauchte man aber die Landwirte, zum Einen als Grundbesitzer, die ihren Besitz „einbrachten“, zum Anderen aber auch als gestandene Fachleute, auf deren Erfahrungen man einfach nicht verzichten konnte. Manche waren freiwillig bereit in die LPG einzutreten, andere nicht. Die sogenannten LPG-Werber, meist Funktionäre aus der Stadt, zogen alle Register. Von Versprechungen bis massivem Druck soll es alle Varianten gegeben haben. Vielen Landwirten, die mit Leib und Seele Bauer waren, ist diese Entscheidung sehr schwer gefallen, manche flohen bei Nacht und Nebel, ließen Haus und Hof zurück, um einen neuen Anfang im Westen zu wagen. Auch in Pickau war das damals so. Es hat zwar kein Bauer seinen Hof verlassen, aber es gab 1960 einen außergewöhnlichen Todesfall, weil man einen der Bauern, der sich nicht für die LPG entscheiden konnte, so lange und massiv unter Druck setzte, bis er schließlich den Freitod wählte.
Die neuen Veränderungen in der Produktion waren für die Landwirte gravierend. Beim Modell LPG, Typ 1, bewirtschaftete man die Felder nun gemeinsam, während das Vieh noch im eigenen Stall versorgt wurde. Später wurden die Bauern vollgenossenschaftlich, das heißt, sie brachten alles Inventar in die Genossenschaft ein. In diese Zeit fällt auch der Bau der großen Milchvieh- oder Schweinemastanlagen. Ab nun spezialisierte sich auch der Beruf des Landwirtes. Man musste entscheiden, ob man in der Tierzucht oder im Feldbau tätig sein wollte. Die Bauern, die sich für den Feldbau entschieden, wurden später Traktoristen, die Frauen bildeten Feldbaubrigaden. Eine solche gab es auch in Pickau.
Diese Veränderungen beeinflussten aber nicht nur den Arbeitsalltag, sondern zogen sich durch das ganze Leben der Landwirtsfamilien. Man war nun im bäuerlichen Verständnis nicht mehr „Bauer auf eigener Scholle“, sondern ging auf’s Feld oder in den Stall zur Arbeit. Die neue Produktionsform brachte jedoch auch Vorteile. Die Landwirtschaft wurde in dieser Zeit effektiviert und mechanisiert. Große Maschinen, die sich der einzelne Bauer hätte kaum leisten können, wurden bei den LPGs angeschafft und erledigten nun für Mensch und Tier immer öfter die schwere Arbeit. Durch die Großflächenwirtschaft war es auch möglich, höhere Erträge zu erzielen. Auch für die Bauern selbst brachte das einige Verbesserungen. Ein regelmäßiges und gesichertes Einkommen als Monatslohn und Arbeitszeiten, die nur noch in der heißen Erntezeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang dauerten, gehörten dazu. Diese Produktionsform hielt bis zur gesellschaftlichen Wende 1989/1990 an. In deren Folge gab es Privatisierungen, sogenannte „Wiedereinrichter“ oder auch Wechsel der Gesellschaftsform als GmbH oder GbR. Heute werden die Pickauer Fluren von der „Geißmannsdorfer Agrar GmbH“, einem modernen Großbetrieb, bewirtschaftet.