Das Rittergut Pickau kurz vor seiner Auflassung
Ein virtueller Rundgang
In den Jahren unserer Forschungsarbeiten haben wir vom Historischen Stammtisch Pickau uns immer wieder gefragt, wie das Rittergut wohl einmal ausgesehen haben mag. Das einzige Gebäude, welches wir aus eigener Erinnerung heraus noch kannten, war das Wohnhaus des Gutes, welches in der ersten Hälfte der 1960er Jahre abgerissen worden war. Von allen anderen Gebäuden wussten wir nur aus der Beschreibung des Ritterguts und einer Zeichnung im Sächsischen Erzähler.
Dank umfangreicher Recherchen im Bischofswerdaer Stadtarchiv konnten wir, vornehmlich Manuela Piche, in den letzten Jahren einige Akten ausfindig machen, die uns mehr Licht in das Dunkel brachten.
Im Zusammenhang mit der Auflassung des Gutes konnten wir in einer Akte eine Lageskizze der Gebäude finden, aus der die Maße der Gebäude hervorgingen. In der textlichen Beschreibung dazu sind außer den Maßen auch weitere Details zu finden (1 Elle entspricht 0,566 Meter).
„Die Veräußerung dieser Gebäude wird mit Berücksichtigung ihrer Lage und baulichen Beschaffenheit am genehmsten in nachfolgendem Maße bewirkt werden können: | |
A. | Die Brennerey, 24 Ellen lang und 18 Ellen tief, ist ein hölzernes und so baufälliges Gebäude, daß nur die Materialien zur Veräußerung kommen können. |
B. | Diese Scheune, 54 Ellen lang, 20 Ellen tief, hat eine noch brauchbare Umfaßungsmauer, das Holz des mit Stroh gedeckten Dach ist ebenfalls gut und es wird daher diese Scheune recht säglich zu zwey Wohngebäuden ausgethan werden können, welche jedes 27 Ellen Länge erhalten, sodaß die Kogurrenten nur noch den Ausbau zu besorgen haben. Das auf der Abendseite dieser Scheune befindliche Gewölbe wird dabei gleich als Kuhstall benutzt werden können. |
C. | Diese Scheune, 78 Ellen lang und 21 Ellen tiefhat ebenfalls maßen und gute Umfaßungsmauer, auch ist das Holzwerk des mit Stroh gedeckten Daches noch gut und es wird daher diese Scheune in gleicher Maaße zu drey 26 Ellen langen Wohngebäuden mit wenigen Kosten einzurichten und zu diesem Behelf zu veräußern seyn. |
D. | Das Wohnhaus nebst angebauten Kuhstalle hat 2 Stock Mauer an der vorderen und 1 Stock Mauer an der hinter Seite, ist mit Schindeln gedeckt, jedoch durchaus baufällig, daß durch Reparatur es bewohnbar nicht zu machen ist, mithin hiervon nun die Materialien in Anschlag kommen können. (Anm.: Das gesamte Gebäude ist 70 Ellen lang und 14 Ellen breit. Trotz der Baufälligkeit sollte es noch über 120 Jahre Bestand haben und erst als letztes Haus des Rittergutes verschwinden.) |
E. | Dieser Schuppen, 15 Ellen lang und 8 Ellen breit ist nur von Holz gebaut, übrigens zu einem Wohngebäude nicht brauchbar, zudem auch ist er zeimlich alt und steht auf einem unpaßenden Orte, es werden daher nur die Baumaterialien davon zu benutzen seyn. (Anm.: Der Keller dieses Schuppens existiert noch heute unter dem Anbau des Hauses Pickauer Dorfweg 10.) |
F. | Der Schafstall ist 97 Ellen lang und 20 Ellen tief, hat noch in gutem Stande befindliche Umfaßungsmauern und Schindeldach, welches letztere zwar noch gutes Gebälk hat, jedoch einer Ausbeßerung der Schindelbedachung bedarf. Dieser Schafstall eignet sich ganz vorzüglich zu drey ländlichen Wohngebäuden, davon jedes 32 1/3 Ellen Länge erhalten würde.“ |
Wie sahen diese Gebäude nun aus? Verbindlich wissen wir dies nur vom Wohngebäude, hiervon existieren Fotos (s. o.). Bekannt ist auch die Fassade des Gebäudes B, der kleinen Scheune mit Gewölbe, welches auf einer Lageskizze des Ritterguts sehr detailliert dargestellt ist (Stadtarchiv Bischofswerda 705 fol. 23).
Auf einer weiteren, sehr maßgenauen Karte im Stadtarchiv ist nun die genaue Lage der einzelnen Gebäude ersichtlich (Stadtarchiv Bischofswerda 705 fol. 22). Außerdem ist hier auch die Wegeführung um das Rittergut herum dargestellt sowie die Einteilung der Flächen in die Baugrundstücke, auf denen nach 1841 die Bauernhäuser gebaut wurden. Daneben sind uns über weitere Akten auch noch detaillierte Beschreibungen über die Anzahl der Türen, Tore und Fenster bekannt geworden, deren Wiedergabe den Rahmen hier sprengen würde.
Auf der eben genannten Karte ist auch noch ein weiteres kleines Gebäude ersichtlich, welches in den bisherigen Beschreibungen fehlte: die Milchschwemme. Das war ein kleines Gebäude (10 Ellen lang, 9 Ellen breit), welches zur Kühlung und Lagerung der Schafmilch diente. In anderen Quellen wird es auch als Brunnenhaus bezeichnet. Es befand sich zwischen Teich und Schafstall und wurde vom Zufluss des Teiches durchflossen. Dieser Zufluss kommt vom Pickauer Berg herunter und ist ständig kalt, sodass dadurch eine gute Kühlmöglichkeit für die Schafmilch bestand.
Als ich diese Karte in Google Earth georeferenziert platziert hatte, konnte ich feststellen, dass die Maße der Gebäude in der anfangs genannten Akte ziemlich exakt stimmten.
So hatten wir nun zahlreiche Bausteine, aus denen sich langsam ein Bild des Ritterguts aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammensetzte. Ich habe daraufhin versucht, das Wohngebäude und auch die kleine Scheune als virtuelles 3D-Modell nachzubauen. Der Erfolg verführte mich dazu, dies auch mit den anderen Gebäuden in Angriff zu nehmen, so dass nun ein vollständiges 3D-Modell des Rittergutsblocks existiert. Die Maße der Gebäude stimmen mit den damaligen Verhältnissen überein, das Aussehen und die Einteilung vielleicht nicht ganz, aber es könnte so gewesen sein. Auf jeden Fall bekommt man einen realistischen Eindruck von der Größe und den Ausmaßen des Rittergutshofes um 1830.
Die 3D-Modelle wurden schließlich in Google Earth eingesetzt und vermitteln einen realistischen Eindruck vom Aussehen des Ritterguts um 1830.
Für die „Untergrundarbeit“, also das fotorealistische Erstellen der Bodenflächen, Wege und Gartenbereiche möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei René Hentzschel bedanken, der viele Stunden seiner Freizeit damit verbracht hat, Puzzleteile aus Satellitenfotos zu einer perfekt nutzbaren Darstellung des Rittergutshofes zusammenzubauen. Nachfolgend sind einige Fotos mit verschiedenen Ansichten des Gehöftes zu sehen, ein…zwei Videos hierzu sind ebenfalls in Planung. Lassen Sie sich virtuell in Pickaus Mitte vor 200 Jahren entführen und von den Dimensionen der Gebäude beeindrucken.
Uwe Tilch
Historischer Stammtisch Pickau