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Klengels Ruh'

An der Fahrstraße zum Butterberg, dem Burkauer Weg, finden wir linkerhand den Aussichtspunkt Klengels Ruh‘. Er ist ein Teil des Pickauer Berges, dessen höchste Stelle 100 Meter nördlich davon liegt. In den Karten trägt die Erhebung verschiedene Bezeichnungen. In einigen Veröffentlichungen ist es der Lämmerberg, da in alten Zeiten hier die Lämmer des Rittergutes weideten, in anderen ist es nur der Pickauer Berg oder nur die Höhenbezeichnung „342,5“ ohne Nennung eines Namens.

1590 wurde hier nach langanhaltender Trockenheit eine Bockwindmühle erbaut, die aber wegen zu geringer Effektivität nach der Stadt umgesetzt wurde und schon 1613 nach Rattwitz verkauft wurde. Der exakte Standort ist nicht belegt.

Klengels Ruh‘ selbst entstand wahrscheinlich zur Zeit des Gaststättenbaus auf dem Butterberg als Aussichts- und Ruhepunkt auf dem halben Weg von der Stadt. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte er noch nicht kultiviert worden sein. In alten Reisebeschreibungen spricht man davon, dass anfangs nur eine Art grüne Laube, bestehend aus schnellwachsenden Sträuchern, als Schattenspender hier standen. Wahrscheinlich wurden mit der Anpflanzung der Lindenallee durch die Butterbergwirtin Hermsdorf im Jahre 1901 die fünf Linden in einem Kreis gepflanzt, was auch zum Namen „5 Linden“ führte. Der Name „Klengels Ruh‘“ entstand nach der Erzählung, dass Johann Heinrich Klengel, der von 1810 bis 1815 Bürgermeister von Bischofswerda war, seine Spaziergänge zu diesem Ort führte, um von hier die herrliche Aussicht zu genießen. Dokumentarische Beweise dafür gibt es nicht und so entstanden auch eine Reihe anderer Deutungen, die letztlich aber unglaublicher waren.

Ab 1935 wurde in Pickau gebaut; es entstand die Siedlung. Für die neuen Häuser brauchte man eine Trinkwasserleitung und so entstand auf halber Höhe zu Klengels Ruh‘ ein kleiner Wasserbehälter, der aber nur Brauchwasser und kein Trinkwasser brachte. Er wurde alsbald gesperrt und die Männer vom Reichsarbeitsdienst (RAD) mussten 1938/39 schnellstens einen größeren Behälter bauen, der an eine größere Druckwasserleitung angeschlossen wurde. Dieser Behälter mit Wasserhaus entstand unmittelbar neben dem Aussichtpunkt und ist bedingt auch heute noch nutzbar.

1953 entstand in der Siedlung eine Sparte des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK). Dieser Verein verpflichtete sich anlässlich der Volkswahlen am 16. November 1958 und in Vorbereitung des 10. Jahrestages der DDR unter Anderem zur Neugestaltung des Aussichtspunktes Klengels Ruh‘.

Wie festgelegt, entstand eine schöne Anlage, deren Krönung ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Klengels Ruh‘ 1959“ war. Der Stein selbst wurde vom Steinbruch Napoleonstein mit einem Traktor vom Typ „Pionier“ geholt. Dabei wurde ein Reifen des geliehenen Traktors zerstört. Ein unerhörter Vorfall, der fast zum Sabotagefall erklärt wurde. Aber – Initiative zum 10. Jahrestag der DDR und Sabotage – das ging doch nicht zusammen. Also einigte man sich im Nachgang und es blieb ohne „Klärung eines Sachverhaltes“ (Stasijargon).

Nach der Anlieferung wurde der Stein von dem Siedler und Steinmetz Edwin Mitscherling bearbeitet und aufgestellt.

Damit hatte die Siedlung ihre Verpflichtung zur Wahl und zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR erfüllt.

Interessant ist natürlich auch die Eintragung im Kassenbuch, denn ein wenig Gemütlichkeit gehört schon zum freiwilligen Arbeitseinsatz.

Leider hatte man sich über die Folgearbeiten nur wenig Gedanken gemacht. In den ersten Jahren wurde bei ständigem Rückgang die Ordnung noch aufrechterhalten, später blieb es beim Rasenmähen und Heckeschneiden und nach der Wende schlief alles ein. Durch Unwetter und Krankheiten verblieben von einst fünf Linden noch zwei Vertreter – die Natur holt sich zurück, was ihr gehört.

Nicht unerwähnt sollen die 80er Jahre bleiben. Während die Siedlersparte 1982 bis 1984 hier noch ihre Hexenfeuer durchführte, wurde es 1985 und später verboten. Das baufällige Ziegeldach des Wasserhauses wurde abgerissen, die Mauer wurde um einige Ziegel erhöht und mit eigenartigen Fenstern versehen. Auf der Rückseite erhielt das neue Dach eine Tür und der Zutritt zum Haus war nur noch bestimmten Personen gestattet. Die Stasi hatte sich während der Stationierung der SS-12-Raketen hier eingenistet. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass das heimliche Fotografieren von Personen, die hier vorbeigingen oder sich auf Klengels Ruh‘ aufhielten, schon vorher durch die Sehschlitze im unteren Teil des Hauses praktiziert wurde. Ein Foto habe ich anlässlich der „Klärung eines Sachverhaltes“ selbst gesehen. Nicht genug damit, saß auch an vielen Tagen ein russischer Posten auf einer Bank am Wasserhaus und notierte alle Fahrzeugkennzeichen. In dieser Zeit war auch die Aussicht in Richtung Bautzen und Königshainer Berge nur unter größter Vorsicht zu genießen. Wer mit dem Fernglas in Richtung Osten sah, musste damit rechnen, dass jeweils Doppelposten aus Richtung Kaserne und Butterbergwald aktiviert wurden.

Kaserne, Russenposten und Stasi existieren nicht mehr, aber auch die fünf Linden und die Ruhebänke existieren nur noch teilweise. Sie wurden vom Zahn der Zeit zernagt. Wäre es nicht an der Zeit, die entstandenen Lücken wieder aufzufüllen? Der Weg zum Butterberg würde dadurch wesentlich aufgewertet.

Eckehard Paulick

Historischer Stammtisch Pickau

Juli 2019

(Dieser Artikel wurde leicht gekürzt auch im Schiebocker Landstreicher, Ausgabe 14, 2019, veröffentlicht.)